www.meltonpriorinstitut.org - 01.07.2013



Wilhelm Busch und die Alten Meister

Ausstellungsbesprechung von Rolf Bier

Wilhelm Busch - der Namenspatron des jetzigen "Deutschen Museums für Karikatur & Zeichenkunst" in Hannover - war mehr als nur ein Liebhaber der Genre-Malerei des niederländischen Goldenden Zeitalters. Über Zitate aus Briefen ist seine sehr fachkundige, lebenslange Begeisterung für Maler wie Adriaen Brouwer, David Teniers d.J., Frans Hals etc. belegt. Einige Male machte er sich aus dem Schaumburgischen Land und Wolfenbüttel auf nach Kassel, um die dortige, mit "Holländern" üppig bestückte Gemälde-Sammlung zu studieren. Auch ein Besuch von Amsterdam und die Auseinandersetzung mit Rembrandt ist nachweisbar. Ganz offenbar waren diese Maler seine Lehrmeister und nicht - wie es für einen an den Akademien Düsseldorf, Antwerpen und München ausgebildeten Maler in der Mitte des 19. Jahrhunderts eher erwartbar  - die prominenten Großmaler von Renaissance und Klassizismus.

In Hannover ist nun - zurückgeführt auf seine Pilgerfahrten nach Kassel - eine feine kleine Ausstellung entstanden, die Buschs eigene Malerei mit erlesenen Stücken von der Wilhelmshöhe und einigen anderen Leihgaben abgleicht (u.a. natürlich auch Paulus Potter, der sich der Malerei von Rindviechern verschrieben hatte, Jan Weenix, J. van Ruisdael, Jan Breughel d. J. und Bilder aus dem Rembrandt- und Rubensumkreis). Bekanntermaßen hat sich Busch, der mit seinen Bildgeschichten deutschlandweit berühmt wurde, mit der erstrebten Karriere als Maler schwer getan und sah sich selbst hier gescheitert. Auch wenn die Ausstellung ganz sachlich die sichtbaren Nähen Buschs zur holländischen Genre- und Landschaftsmalerei aufweist - u.a. eine Studien-Kopie nach Brouwer - gelingt ihr ganz selbstverständlich, den hohen Rang von Buschs Malerei zu demonstrieren, die durchaus erkannt ist, aber im musealen Spektrum des 19. Jahrhunderts noch unterrepräsentiert zu sein scheint. Denn ein sentimentaler Kopist ist Busch, dessen enorme Wirkkraft seiner Bildgeschichten die Malerei in der öffentlichen Wertschätzung kaum aufholen kann, nicht geblieben. Dies könnte man - im Hinblick auf die weitgehend rural ausgerichteten Motive und die gedeckte bräunlich-grüne Palette - zunächst vermuten.

Buschs Malerei, die er im Alter von 20 bereits technisch perfektioniert hatte, entbehrt jeglicher Pathosformeln und ist weder an zeittypischen Historien-Motiven noch am mythologischen und auch nicht am romantischen Bild interessiert. Trotz der Bezugnahme auf die narrativen "alten Meister" steht Buschs malerisches Programm  vor allem der vorimpressionistischen Schule von Barbizon nahe. Deren Maler favorisierten als Kern ihres Anliegens die spontan unter freiem Himmel verfertigte Ölskizze. Buschs beste Werke entstehen genau so und entwickeln in kleinen Formaten eine besondere malerische Dynamik, in der der Textur der Malerei eine zeichnerische Unmittelbarkeit  eingeschrieben ist. Diese bildet in den offenbar in großem Tempo geschaffenen kleinen Impasto-Bildern von Wiesen, Scheunen, Wiesen mit Kühen, Wiesen mit Gebäuden aber mit wenig Menschen, eine Art malerisches All-Over-Gewebe, das das gesamte Motiv erfasst und diesem rhythmisch aufgelegt scheint - dies und die pastorale Gestimmtheit der Bilder teilt er im übrigen mit van Gogh, der - mit einem ähnlichen Ansatz -  ein wenig später ein farbiges Feuerwerk abbrennen wird.

Wilhelm Busch, Waldlandschaft mit Heufuder und Kühen, um 1884/1893

In seinen besten Bildern - die gemessen am Format-Standart "Bildchen" sind - nähert sich Busch in der Provinz  den zeitgleichen Tendenzen der fortschrittlichen Malerei der Metropolen: er leistet auf ganz eigene Weise seinen Beitrag vor allem zur Autonomisierung von Malakt und Bild. Eine Pointe besonderer Art ist, dass Busch - der Erzähler - dabei gar nicht vorkommt: er hat zugunsten der Einheitlichkeit der Wirkung seiner Bilder diesen selbst - wie auch den Referenzen an die Holländer - jegliche Anekdote ausgetrieben. Damit verhält er sich genau komplementär zum ebenso durch Grafik und Illustration populär gewordenen Zeitgenossen Adolph Menzel, dessen Zeichnung sensualistisch-perzeptuell war, seine Malerei hingegen durchgehend "narratierend". (Rolf Bier)

Deutsches Museum für Karikatur & Zeichenkunst Hannover, bis 4. August 2013, Katalog