Die Pfeile des wilden Apollo. Eine illustrierte Einführung I
I Klassik / Anti-Klassik
Wild Apollo’s Arrows, exhibition view, Paintings Gallery of the Academy of Fine Arts Vienna (Foyer)
Jahrzehnte vor der Französischen Revolution brach in die Hochphase der Aufklärung eine Kultur der rauschhaften Affekte ein, die zunehmend auch von nationalmythischen und folkloristischen Enthusiasmen getragen wurde. Der Kulturphilosoph Johann Gottfried Herder verglich ihre Wirkkraft mit den epidemischen Geschossen, die Homers Schlachtenepos Ilias einleiten. Mit Begriffen wie „Zeitalter der Empfindsamkeit“ und „Sturm und Drang“ lässt sich diese lange Phase der Entgrenzung und Entfremdung vom Vorbild einer vermeintlich rationalen Antike nur unzureichend charakterisieren.
Laocoön, eine späte Grafik des englischen Malerdichters William Blake, spiegelt diese Abkehr von der Klassik programmatisch wider. Ihre fest umrissene Formenwelt geht in einem diffusen Organismus aus Schrift auf, einem wie tätowiert wirkenden Klangraum wütender Slogans, die einen provokanten, kontrafaktischen Zugang zur Frühgeschichte eröffnen: Das künstlerische Hauptwerk des griechischen Altertums und Ideal klassizistischer Kunstanschauung sei nichts als die Kopie eines hebräischen Originals, eine sinnverdrehte Adaption vorzeitlicher christlicher Symbolik, der Schlangenkampf des trojanischen Apollopriesters und seiner beiden Söhne in Wahrheit eine Allegorie auf den Sündenfall. Dem physischen Körperkult der Antike setzt Blake einen spiritualistischen Christus-Korpus als kollektiven Imaginationsraum entgegen, in dem das physische Auge nichts, die Vision dagegen alles ist. Mit seinem antikapitalistischen Furor markiert das Werk der späten 1820er Jahre bereits einen Abgesang auf den Eskapismus der Hochromantik – und zugleich auch einen Ausblick auf den frühsozialistischen Messianismus der sich formierenden Arbeiterbewegungen.
Wild Apollo’s Arrows, exhibition view, Paintings Gallery of the Academy of Fine Arts Vienna (Foyer)William Blake: Laocoön, copy B, 1826 (Wikisource / blakearchive.org)
Die historischen Perspektiven, die Herder und Blake auf die Kultur des zornigen Apollo einnahmen, fungieren als kontinuierliche Begleiter durch die Ausstellung, während sich die aktuellen Kommentare Studierender intensiver mit einzelnen Aspekten auseinandersetzen. Letztere sind im Booklet der Ausstellung abgedruckt, das auch als Download zur Verfügung steht.
II Elysium ist nicht. Der Messias. Ein Heldengedicht
Gemäldegalerie
Wild Apollo’s Arrows, exhibition view, Paintings Gallery of the Academy of Fine Arts Vienna (eSeL.at – Joanna Pianka)
Der Bruch mit der französisch geprägten Klassik der Aufklärungszeit und die Verabsolutierung der Kunst zu einer quasi sakralen und gesellschaftsverändernden Kraft waren seit Mitte des 18. Jahrhunderts europaweit mit dem weitgehend vergessenen Namen des sächsischen Dichters Friedrich Gottlieb Klopstock verbunden. Mit der frenetisch gefeierten Teilveröffentlichung seines Großepos Der Messias. Ein Heldengedicht stieg der junge Theologiestudent 1748 zum ersten Superstar der deutschsprachigen Dichtkunst auf. Sein titanisches Unternehmen, dem alttestamentarischen Epos Paradise Lost des führenden englischen Dichters John Milton durch eine Dramatisierung der christlichen Erlösungsgeschichte den Rang streitig zu machen, appellierte nicht zuletzt auch an ein neues nationales und kulturelles Selbstbewusstsein.
François Pigeot nach Gerdt Hardorff, Friedrich Gottlieb Klopstock, 1803 (Österreichische Nationalbibliothek, Wien)
Klopstock als Ikone der Kunstreligion. Der Stich nach einem Gemälde, das der Hamburger Maler Hardorff 1827 im Auftrag des französischen Botschafters ausführte und das später in die Sammlung des Musée de l’Histoire de France in Versailles überging, belegt die anhaltende Popularität des Dichters in Frankreich auch in den Zeiten der Restauration und der Julimonarchie.
Jacob Wilhelm Mechau, Entwurf für ein Klopstock-Denkmal, situiert in einer Ideallandschaft, 1806 (Albertina, Wien)
Der Messias ersetzte Miltons grimmigen Puritanismus durch die Vision einer endzeitlichen Allversöhnung. Das Werk stellte Grundregeln der klassischen Epik auf den Kopf und rang der gestelzten deutschen Sprache eine moderne Ausdrucksqualität ab. An die Stelle eines dramatischen Erzählflusses und bildhafter Anschaulichkeit traten Introspektion und Exaltation sowie eine nur schwer nachvollziehbare polyperspektivische Handlungskonstruktion, die als kosmisches Delirium ständig zwischen verschiedenen Astralebenen wechselte und dabei wie ein liturgisches Drama zeitlich auf der Stelle trat. Bis zur Vollendung im Jahr 1773 verstrickte das pietistische Monumentalopus Autor und Leserschaft in ein nahezu dreißigjähriges spirituelles Exerzitium, das von der Möglichkeit der Übertragung und Verstärkung von Affekten ausging. Der Klopstockrausch war allgegenwärtig und stand auch im Zentrum der manisch-suizidalen Welt, die sein Anhänger Johann Wolfgang von Goethe in seinem Debütroman Die Leiden des jungen Werther (1774) entwarf. Später war es dessen Kollaborateur Friedrich Schiller – auch er in späteren Jahren ein Renegat des Klopstockianismus –, der explizit vor einem morbiden und jugendgefährdenden Einfluss des Dichters warnen sollte.
Die Kritik der Weimarer Klassiker verkannte allerdings die gemeinschaftsstiftenden Aspekte einer Poetik, die alles andere als lebensfern und körperlos war und zum rituellen Gesamtkunstwerk tendierte. Der Strom der freien Rhythmen wollte laut vorgetragen und gemeinschaftlich erlebt sein – Klopstock stand auch am Beginn der neuzeitlichen Dichterlesung – und die Chöre seiner Stücke sollten wie in einer griechischen Tragödie feierlich intoniert und getanzt werden. Die Tonkunst, vor allem der Gesang, galt ihm als höchste Verwirklichung einer Ästhetik, die in eine emotionale Tiefenschicht vordringen wollte, die der Bildkunst unerreichbar sei. Wer habe jemals beim Anblick eines Gemäldes oder einer Plastik geweint? Dass er die Zusammenarbeit mit Komponisten suchte, die sich reihenweise von ihm inspirieren ließen, liegt auf der Hand. Der Klopstockkult spielte katalysatorisch in die Frühzeit der Wiener Klassik hinein und affizierte später Beethoven und Schubert. 150 Kompositionen, die 45 Komponisten nach seinen Gedichten schufen, sind allein für die Zeit bis 1800 bekannt.
Johanna Dorothea Sysang, Frontispiz zu F. G. Klopstock, Der Messias, Band 1, Carl Hermann Hemmerde, Halle 1760 (Melton Prior Institute)
Erstaunlich ist jedoch, dass Klopstock trotz seiner Geringschätzung des Gesichtssinns auch erhebliche Mühen auf eine Visualisierung des Messias verwendet hat. [1]Anfangs war ihm die Zusammenarbeit mit Illustrator_innen von seinem Verlag aufgenötigt worden, doch nach ersten negativen Erfahrungen nahm er die Auswahl selbst in die Hand und setzte sich mit der gesellschaftlichen Funktion von Bildkunst und mit den Grenzen des Darstellbaren auseinander. Obwohl er Malerei für ein elitäres Feudalrelikt hielt und sein Ideal eine Autorengrafik war, die breiteren Gesellschaftsschichten zugänglich war, setzte er seine Hoffnungen lange Zeit auf zwei führende Vertreter_innen der Historienmalerei. Als Angelika Kauffmann nach einigen Anläufen vor den wachsenden Ansprüchen und Einschränkungen des Dichters kapitulierte, ließ er Heinrich Friedrich Füger bei seinen Illustrationen freie Hand. Der Direktor der Wiener Akademie sah in dem Großepos einen würdigen Gegenstand für den Abschluss seines Lebenswerkes und fertigte 1797 für eine Gesamtausgabe des Messias einen Zyklus von 22 Illustrationsentwürfen. Daneben führte er zwanzig nahezu formatgleiche Malereien aus, die er der Öffentlichkeit über viele Jahre in einem eigenen Messias-Raum seines Ateliers zugänglich machte. Nur fünf dieser Gemälde überstanden, zum Teil schwerst lädiert, die Bombenangriffe des 2. Weltkriegs. Ihre eher skizzenhafte Anlage und ihre zeitliche Nähe zu den Illustrationsentwürfen lassen vermuten, dass er von Anfang an auch eine Ausführung in einem repräsentativeren Format plante, die es mit den Gemälden einer Milton Gallery aufnehmen konnte, die Johann Heinrich Füssli in London mit großem Werbeaufwand angekündigt hatte.
Wild Apollo’s Arrows, exhibition view, Paintings Gallery of the Academy of Fine Arts ViennaHeinrich Füger, Klopstock, Messiade, XI. Gesang: Rückkehr der Altväter zu ihren Gräbern, 1813–1818, Zeichnung (Albertina Wien ) und Gemälde (Gemäldegalerie Wien)Heinrich Füger, Klopstocks Messiade X: Christi Tod, aus der 22-teiligen Serie von Illustrationenentwürfen zu Klopstocks Messiade, 1797 (Albertina, Wien)Friedrich John nach Heinrich Füger, Christi Tod, 1798, Frontispiz zu F. G. Klopstocks Der Messias (10. Gesang), Band 1, Georg Joachim Göschen, Leipzig 1800 (Melton Prior Institute)Johann Friedrich Leybold nach Heinrich Füger, Christi Tod, Illustration zu Friedrich Gottlieb Klopstock, Der Messias (10. Gesang), um 1811 – 1817, (Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien)Heinrich Füger, Klopstock, Messiade, X. Gesang: Das letzte Wort des Messias am Kreuz, 1813–1818 (war-damaged) (Gemäldegalerie der Akademie der bildenden Künste Wien)
Der zehn Jahre ältere Schweizer Literaturkritiker und Malerpoet Füssli, ein Schüler des Züricher Milton-Übersetzers und herausragenden Klopstock-Mentors Johann Jakob Bodmer, hatte seine frühe Begeisterung für den Dichter des Messias auch nach dem Umzug nach London bewahrt und sich dort unter anderem mit eigenen Übersetzungsproben für sein literarisches Idol eingesetzt. Es war Füsslis Mitarbeiter William Blake, der schließlich die nationale Herausforderung durch den deutschen Milton annahm und mit seinem bilddichterischen Albion-Zyklus (1797 – um 1820) eine nationalmythische und tiefenpsychologische, im Kern antipuritanische Auseinandersetzung mit Miltons Paradise Lost und dem Offenbarungsgeschehen vorlegte, in deren vielstimmiger, oratorienartiger Anlage und extremen zeitlichen Verschränkungen sich deutlich die Anstrengungen einer Überbietung der deutschen Messiade abzeichneten.
Wild Apollo’s Arrows, exhibition view, Paintings Gallery of the Academy of Fine Arts ViennaJohann Friedrich Leybold nach Heinrich Füger, Abadonnas Erlösung, Illustration zu Klopstock, Der Messias (19. Gesang), um 1811 – 1817 (Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien)William Blake, The End of the Song of Jerusalem (Platte 99), aus William Blake, Jerusalem. The Emanation of The Giant Albion, 1804–1820 (Yale Center for British Art, Paul Mellon Collection, New Haven, CT)
Heinrich Füger ließ sich für seine zwischen Innerlichkeit und füsslieskem Heroismus changierende Auffassung von Klopstocks Messias von Richard Westalls Illustrationen zu Paradise Lost und Paradise Regain’d inspirieren, die in einer dreibändigen Prachtausgabe von Miltons poetischem Gesamtwerk erschienen waren.
Luigi Schiavonetti nach Richard Westall, Paradise Lost, in:,The Poetical Works of John Milton with a Life of the Author by William Hayley. London 1794–97 (Melton Prior Institute)Johann Friedrich Leybold nach Heinrich F. Füger, Christus in der Hölle, Illustration zu F. G. Klopstocks Der Messias (16. Gesang), um 1811 – 1817 (Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien)William Blake, Portrait Friedrich Gottlieb Klopstock, im Auftrag von William Hayley, 1800 – 1803 (Manchester Art Gallery) – not in the exhibitionJ. Chapman, J. Wallis, Eloa and Gabriel at the Altar of Messiah, aus Friedrich Gottlieb Klopstock, The Messiah. A Sacred Poem, S. A. Oddy, London 1812, (Melton Prior Institute)
Blakes Anstrengungen waren sie nicht nur vom Beispiel Füsslis angespornt, der sich neben poetischen Imitationen schon früh im Auftrag Klopstocks mit der Illustration des Messias befasst hatte, sondern auch durch den Kult, den sein wichtigster Förderer, der Milton-Biograf William Hayley, um das deutsche Opus betrieb. Zu Klopstocks englischen Bewunderern gehörte auch ein weiterer enger Freund Blakes, der Grafiker, Bildhauer und Spiritist John Flaxman, mit dem Klopstock nur wenige Jahre vor seinem Tod Kontakt aufnahm. In Flaxmans Stil der zeichenhaften Verknappung hatte Klopstock eine Qualität der Übersetzung erkannt, die seinem eigenen dichterischen Ideal der Auslassung und Andeutung entsprach: Das Wortlose müsse in einem guten Gedicht umherwandeln „wie in Homers Schlachten die nur von wenigen gesehnen Götter“.[2] Nach dem Zerwürfnis mit Füger wegen dessen konventioneller Illustrationsweise, bei denen er nicht einmal vor einer theatralischen Gottesdarstellung zurückschreckte, setzte Klopstock seine letzten Hoffnungen auf Flaxman – doch vergeblich, denn der war mit Aufträgen überlastet.
Friedrich John nach Heinrich Füger, Christus schwört die Erlösung, 1798, Frontispiz zu F. G. Klopstock, Der Messias. Band 4, Leipzig 1800, (Melton Prior Institute)Etienne Achille Réveil nach John Flaxman, Paradis, Chant XXXIII, aus La Divine Comédie du Dante Alighieri (1793) . Gravée par Reveil d’après les compositions de J. Flaxman, Audot/Sussem, Paris 1847, (Melton Prior Institute)
Mit seinem Tod 1803 kam Klopstocks Werken eine neue Aufmerksamkeit und unter dem Eindruck der Napoleonischen Besatzungen auch eine verstärkte identitätsstiftende Funktion zu. In Rom reagierte Fügers Meisterschüler Josef Abel auf die Todesnachricht mit der Konzeption eines großformatigen Gruppengemäldes, das den verstorbenen Dichter beim Eintritt ins Elysium zeigt, das Gefilde der Seligen der griechischen Mythologie. Der dokumentarische Anspruch einer Porträtgalerie klassischer Dichtkunst und die offenkundigen Bezugnahmen auf die beiden römischen Parnass-Fresken von Raffael und Anton Raphael Mengs als den beiden Gründungsdokumenten der klassizistischen Malereitradition legen nahe, dass es sich hier um weit mehr als einen Nekrolog handeln musste, selbst wenn dieser einen Nationalbarden zum Gegenstand hatte, der in den habsburgischen Territorien des Alten Reiches mit einer ganz besonderen Nachhaltigkeit verehrt wurde.
Josef Abel, Klopstocks Ankunft im Elysium, 1805 (Nationalgalerie Prag)Raphael, Der Parnass (Fresko,1711) Musei Vaticani ( wikisource)Josef Abel, Klopstock unter den Dichtern im Elysium, 1803/1807 (Belvedere, Wien)
Während in den Parnass-Fresken von Raffael und Mengs Apollo als einzelne Figur im Zentrum der Komposition stand, drehte sich Abels Gemälde um eine Konfrontation. In der Vorstudie (Klopstocks Ankunft im Elysium, Nationalgalerie Prag) kommt das Spannungsvolle der Begegnung zwischen dem Neuankömmling und Homer, dem Patriarchen der antiken Dichtkunst, besser zum Ausdruck als in der beschädigten Endfassung (Klopstock unter den Dichtern im Elysium, Belvedere, Wien). Entscheidend ist aber, was das Bild nicht zeigt, der unmittelbare Zukunftshorizont, der durch Klopstocks vorwärtsdrängende Pose, die messianische Siegespalme und die neue Offenbarung in seinen Händen angedeutet wird. Sein Eintritt in den Parnass als das antike Zentrum des Elysiums wird im nächsten Moment das gesamte klassische Bezugssystem des Gemäldes zum Erlöschen bringen. „Elysium ist nicht“ heißt es im Messias. Das Gemälde steuerte also auf seine eigene Annullierung zu und war in dieser impliziten Drastik mit Blakes Neucodierung der Laokoon- Gruppe vergleichbar. Und mehr noch: Indem es im Sublimen des Ungezeigten eine Kunst beschwor, die nach Klopstock in erster Linie der christlichen Religion zu dienen hatte, erwies sich das antikisierende Idyll auch als ein zentrales Programmbild an der Epochenschwelle zur Romantik.2 Nach Abels Rückkehr nach Wien sollte seine implizite Programmatik von Fügers nächster Schülergeneration in Rom umgesetzt werden, dem gegen die klassizistische Orthodoxie der Wiener Akademie opponierenden Lukasbund, der von glühenden Verehrern der Messiade gegründet worden war.
Das Werk hatte aber noch eine weitere Dimension, die mit Klopstocks zweiter Forderung an die Kunst der Zukunft zusammenhing und ganz und gar un-nazarenisch war. Sie erschließt sich, wenn man das Motiv im Kontext einer populären Grafikfolge politischer Elysien liest, die 1782 mit einer Ehrung des verstorbenen Rousseau und seiner elysischen Begegnung mit Plato und dessen Politeia begann und dann mit Darstellungen Friedrichs II. (Berlin 1788) und Josephs II. (Wien 1790) in herrschaftlich-dynastische Kontexte wechselte.
Josef Abel, Klopstock unter den Dichtern im Elysium, 1803/1807 (Belvedere, Wien) – Charles-François-Adrien Macret nach Jean-Michel Moreau, Arrivée de J. J. Rousseau aux Champs Elisées, 1782 (Graphische Sammlung ETH Zürich) –Bartholomäus Hübner nach G. W. Hofmann, Ankunft Friedrich des Zweiten von Preußen im Elysium 1786, 1788 (Österreichische Nationalbibliothek, Wien)-Johann Hieronymus Löschenkohl, Verlag, Ankunft Josephs II. im Elysium,1790 (Wien Museum)Bartholomäus Hübner nach G. W. Hofmann, Ankunft Friedrich des Zweiten von Preußen im Elysium 1786, 1788 (Österreichische Nationalbibliothek, Wien)
Dass Klopstocks Überführung ins Elysium vor diesem Hintergrund mit imperialen Apotheosen nicht nur gleichzieht, sondern sie durch ihr pompöses Historienformat sogar noch übertrifft, entspricht ganz dem stolzen Selbstverständnis, mit dem der Dichter zu seinen Lebzeiten gegenüber dem Kaiserhof aufgetreten war. Mit seinem kulturpolitischen sogenannten „Wiener Plan“, den er an den liberalen Joseph II. gerichtet hatte, war er für zentralstaatliche Förderung und die Durchsetzung künstlerischer Autonomie und schöpferischer Freiheit eingetreten. Dass Klopstock im Elysium in Zeiten einer sich abzeichnenden Neufassung des Reichsgedankens als ein Appell an den konservativen Nachfolger Josephs II. zu verstehen war, legt die Vielzahl der dargestellten Personen nahe, die mit republikanischen Freiheitsgedanken assoziiert werden können: Klopstock selbst, der Ehrenbürger der französischen Nationalversammlung war und mit seinen politischen Oden für den Beginn einer demokratisch-interventionistischen Dichtkunst im Deutschsprachigen stand, John Milton, der bekannteste Apologet der Rede- und Pressefreiheit, Pietro Metastasio, ein Librettist republikanischer Opernstoffe, sowie der revolutionäre italienische Dramatiker Vittorio Alfieri. Füger konnte sich 1811, nunmehr als Direktor der kaiserlichen Gemäldesammlung, noch erfolgreich für den Ankauf von Abels Programmgemälde einsetzen, zu einem Auftrag für die Realisierung seines großen Messias-Zyklus kam es nach der post-napoleonischen restaurativen Wende allerdings nicht mehr.
Der spätere Messias-Zyklus des Spätnazareners Leopold Kupelwieser, ein enger Freund Franz Schuberts, entstand für die privaten Bildandachten des als tief fromm geltenden Erzherzogs Franz Karl.
Leopold Kupelwieser, Messias, 1. Gesang: Gabriel opfert Räucherwerk, um 1838 (Landessammlungen NÖ)Leopold Kupelwieser, Messias, 1. Gesang: Gabriel opfert Räucherwerk, um 1838 (Landessammlungen NÖ)Leopold Kupelwieser, Messias 3. Gesang: Satan erscheint dem Ischariot unter der Gestalt seines Vaters im Traume, um 1838 (Landessammlungen NÖ)
[1] Zu Klopstocks Beziehung zur bildenden Kunst vgl.: Christian Hippe: Superiorität der Dichtung (Würzburg 2013). Die Dissertation argumentiert aus einer philosophisch- literaturimmanente Perspektive und konzentriert sich dabei auf die spannungsreiche Zusammenarbeit des Dichters mit seinen IllustratorInnen. Eine Untersuchung seines weiterführenden Einflusses auf die Bildkunst klammert sie nicht nur aus, sondern stellt auch die Sinnhaftigkeit einer solchen Unternehmung in Frage, indem sie in diesem Bereich von einer „geradezu vernachlässigbaren Referenz auf Klopstock“ (S.24) ausgeht. In die Konzeption der Ausstellung und die Abfassungen der Begleitpublikationen ist dieser geradezu antithetische Ansatz nicht eingegangen.
[2] Friedrich Gottlieb Klopstock: Fon der Darstellung. Drittes Fragment (1779). In: Ders.: Kleine Prosaschriften. In: Friedrich Gottlieb Klopstock. Werke und Briefe. Historisch-kritische Ausgabe. Abteilung Werke: IX 1. Hrsg. von Horst Gronemeyer et al., Hamburger Klopstock-Ausgabe. Berlin/ New York 2019, S. 356