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Illustration & Avantgarde (MePri-News 18/5/08 – 4/6/10)

18/5/08

Annabelle Görgen: Antihaltung mit System: Die Arts Incohérents. Eine vergessene Kunst und die Folgen. MePri-Lecture #14

Das surrealistische Verfahren der poetischen Zündung, die Methode der Kombinatorik, und der häufig sprachspielerische und schwarze Humor erhalten durch die Erforschung einer wenig bekannten Pariser Künstlergruppe des späten 19. Jahrhunderts einen neuen historischen Hintergrund: Die Arts incohérents waren zwischen 1882 und 1893 eine Gruppe von Kunstparodisten, die sich selbst nicht ernst nahm. Doch die Rolle der „inkohärenten Künste“ als Vorläufer und Anreger der Surrealisten wird offensichtlich in Gegenüberstellungen von surrealistischen und inkohärenten Werken und Objekten – wie Duchamps L.H.O.O.Q. oder Magrittes und Dalís Venus, – aber auch von Arbeitsmethoden und Grundlagen wie Haltung zum Bürgertum, zum Lachen, zur Stellung zwischen Kunst und Spektakel, zum Selbstverständnis der Künstler etc.. Die vergessene Künstlergruppe muß daher aus heutiger Sicht ernst genommen werden, wie die Abhängigkeit der Werke der Surrealisten von dem Fumismus – der Blufferei – des 19. Jahrhunderts. Dies gilt umso mehr, als Belege für konkrete Kenntnis der Arts incohérents durch Breton und Duchamp geliefert werden können.

Dienstag, 27. Mai um 19 Uhr
Staatliche Akademie der Bildenden Künste Stuttgart, Alte Aula Altbau

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5-7-09

Ausstellung: Karl Valentin, Komik und Kunst seit 1948

Die von Michael Glasmeier und Wolfgang Till kuratierte Ausstellung geht den Einflüssen Valentins in der zeitgenössischen Kunst nach. Sie versteht sich allerdings weniger als eine Hommage, sondern eher als ein Versuch, sich gerade in den Experimenten zeitgenössischer Künstler der präzisen und anarchistischen Möglichkeiten des Komischen zu vergewissern. Sie feiert den methodischen Wahnsinn der künstlerischen Komik in seinen wesentlichen Formungen und damit gleichzeitig jene geniale Ökonomie Karl Valentins, die sich in allen Exponaten mehr oder weniger ausdrücklich aufspüren lässt.

Das Melton Prior Institut präsentiert im Rahmen dieser Ausstellung Sammlungsbestände zur Entwicklung der Salon- bzw. Kunstkarikatur, ein Genre, das  Karl Valentin zur Gründung seines berühmten Panoptikums inspiriert hatte.

Gezeigt werden u.a. Werke folgender Künstler: John Baldessari, Samuel Beckett, Joseph Beuys,  Claus Böhmler, Christian Boltanski, George Brecht, Marcel Broodthaers,  Peter Fischli und David Weiss, Terry Fox, Gilbert & George,  Rodney Graham, Richard Hamilton,  Mauricio Kagel,  Arthur Köpcke,  Jonathan Monk, Johannes Muggenthaler,  Dan Perjovschi,  Dieter Roth, Reiner Ruthenbeck, Tomas Schmit,  Roman Signer, Andreas Slominski,  Timm Ulrichs, Ben Vautier…

Muenchner Stadtmuseum, Muenchen.  24. Juli bis 15. November 2009

Ein Katalog erscheint im Verlag Silke Schreiber, München

Wilhelm Scholz: Die Berliner Kunstausstellung im Jahre 1846

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13/12/09

Lecture: Alexander Roob: Andy Warhol – der letzte Tiler

Wie kein anderer Künstler seiner Zeit war Warhol in vielen entscheidenden Facetten seines Werks den protoavantgardistischen Ausprägungen der Ästhetizistischen Bewegung  des 19. Jahrhunderts verpflichtet. Die kommentierte Bildstrecke mit Archivmaterial des MePri parallelisiert  Dokumente des Factory-Betriebs mit Zeugnissen der Aktivitäten der frühesten Emanzipationsbewegung nordamerikanischer Kunst und sie zeigt Arbeiten aus Warhols erster Karriere als Illustrationsgrafiker.

Der Vortrag findet statt im Rahmen der Ringvorlesung `Who is that pale man?’ –  zu Wirkung und Relevanz des Werks von Andy Warhol, die die Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart in Kooperation mit der Staatsgalerie Stuttgart veranstaltet. Am gleichen Abend referiert Barbara Straumann (Universität Zürich) über “Diva Warhol – mediale Performance, Gender und Versteckspiel”

Di. 15.12, 19 Uhr

Staatsgalerie Stuttgart, Vortragssaal im Stirling-Bau, Konrad-Adenauer Str. 30-32, 70173 Stuttgart

Tiler Andy “Drella” Warhol

Tiler Napoleon “The Hawk” Sarony

Tiler William M. “Polyphem” Laffan, 1879

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2/10/12

Publikation: Kunst und Design. Eine Affäre.

Die Zusammenstellung der Beiträge dieses von Annette Geiger und Michael Glasmeier herausgegebenen Bandes zum nicht unproblematischen Verhältnis zwischen Kunst und Design geht auf die Tagung “Kunst und Design. Eine Affäre” zurück, die im November 2010 an der Hochschule für Künste Bremen stattfand. Nicht erst seit heute finden zwischen diesen beiden Bereichen Dialoge statt, in denen sich die Schnittstellen und Strategien entgrenzen und unbekümmert neu definieren. Von der Forschung wird das Thema jedoch weitgehend ignoriert. Ziel der Publikaktion, so die Herausgeber, sei es, die Diskussion durch eine Neubetrachtung und Neubewertung vielfältiger Kunst- und Designphänomene zu beleben und aufzubrechen.

Inhalt: Annette Geiger: Kunst und Design. Ein Beziehungsdrama der Moderne / Annette Tietenberg: Design≠Art? Zum Ersten, zum Zweiten und … zum Dritten / Regina Bittner: Die Kunst, das Leben zu ordnen / Michael Glasmeier: Geölte Augen. Matisse und der gute Lehnstuhl / Alexander Roob: Die Tradition der doppelten Indifferenz. Andy Warhol,  der Tile Club und die New School / Annelie Lütgens: Fontanas Schnitte. Vom Leinwandbild zum Minikleid / Frieder Nake: Vom Generativen. Generatives Design. Generative Ästhetik.   Generative Kunst / Volker Fischer: Kunst und Design. Grenzverletzer werden unnachsichtig belohnt /  Susanne König: Es muss nicht immer alles neu sein. Über Spuren des Gebrauchs in Kunst und Design /  Judith Gerdsen:  Kunst zum Anziehen? Zu Alexander McQueens irdischen Ikonen / Gerald Schröder: „Wie würden Sie sich verhalten?“ Liam Gillicks Kommentar zu Einbauküche und Minimal Art / Ulrike Grossarth: Das SEIN kleidet sich ein

“Kunst und Design. Eine Affäre” ist im Textem Verlag, Hamburg erschienen.

Edwin “The Chestnut” Abbey , Procession of Ye Tilers, Februar 1879 (aus: “Kunst und Design. Eine Affäre”)

Frederick Juengling, A Tile in Relief, Januar 1879 (MePri-Collection, aus: “Kunst und Design. Eine Affäre”)

Napoleon “The Hawk” Sarony, Saronys Studio, Treffpunkt der “Tiler” (aus: “Kunst und Design. Eine Affäre”)

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4/6/10

Melton Prior Cabinet # 1: Anarchismus und Moderne

Zu Ausgang des 19. Jhds arbeitete eine Vielzahl der Künstler der Montmartre-Szene in Paris im Bereich der Pressegrafik. “Zu dieser Zeit war der Einfluss der Presse auf die Kunst konkurrenzlos,” erinnerte sich Jacques Villon. “Er trug dazu bei, die Befreiung der Malerei aus den Fängen des Akademismus zu beschleunigen.”

Es waren vor allem anarchistische Magazine, wie das von dem radikalen Journalisten Zo´d Axa gegründete Magazin La Feuille, das den exekutierten Sprengstoffattentäter Ravachol als „Märtyrer der Tat“ verehrt hat, um die sich die bohemische Künstlerschaft zur Inkubationszeit der Moderne geschart hatte. Künstlerisch herausragend war das 1901 von dem ungarischen Verleger Samuel Schwarz gegründete Grafikmagazin L´ Assiette au Beurre (Der Teller Butter). Die Experimentierfreude und künstlerische Kompromisslosigkeit, mit der viele Zeichner des Magazins „die herrschende Klasse“, die sich gewaltsam in den Besitz der ersten Sahne bzw. in die Butter des Nationaleigentums gebracht hatte, attackierten, sucht in der Geschichte der Illustrationskunst ihres Gleichen. Reproduziert wurden diese Pressegrafiken zumeist im Zinkätzverfahren der Gillotage. Die Ausstellung zeigt u.a. Beispiele von Juan Gris, Felix Vallotton, Jacques Villon, Paul Iribe, Nadar, Theophile Steinlen, Jules Grandjouan, Hermann Vogel, Bernard Naudin, so wie von Pablo Picasso, der in Le Frou – Frou, einem weiteren Magazin von Samuel Schwarz als P. Ruiz signiert hat.

Im Zentrum der Präsentation steht das pressegrafische Werk von Gustav-Henri Jossot und Frantisek Kupka. Gustave-Henri Jossot, der 1925 zum Islam konvertiert ist, zählt zu den radikalsten Künstlern der Zeit, sowohl in künstlerischer als auch in politischer Hinsicht. Er kreuzte den Cloisonismus der Nabis mit dem politischen Cartooning der Zeit und kreierte damit eine Kunst, die den Kubismus auf der Simpsons -Spur überholt hat.

Gustave-Henri Jossot, Assiette au Beurre, 1904 (MePri-Collection)

Von Frantisek Kupka, dem Begründer der ungegenständlichen Malerei, ist neben Beispielen seiner Pressegrafiken aus L´Assiette au Beurre  und Cocorico auch eine Tonlithographie, Les  Fous, von 1899 zu sehen. Sie nimmt einen zentralen Rang in Kupkas Frühwerk ein und war auf zwei Weltausstellungen zu sehen, 1900 in Paris und 1904 in St. Louis. Auf sehr eindrückliche Weise bringt er darin die explosive Gemengelage der Zeit zum Ausdruck: Kapitalismus, Militarismus, Nationalismus  und Hypokrisie. Formal nähert sich Kupka hier einer Auffassung von montierter Wirklichkeit an, wie sie später in den Grafiken von Pop-Artisten wie Robert Rauschenberg zum Ausdruck gekommen ist.

Diese erste Melton Prior – Kabinettausstellung ist in den vier neu installierten Tischvitrinen in den Bibliotheksräumen der Akademie für Bildende Künste in Stuttgart eingerichtet.

Mi. 9.6. – Fr. 9.7.2010

Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

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Anarchism and Modernism

At the end of the 19th century, a number of artists of the Parisian Montmartre scene worked in the field of press illustrations. “During this time, the influence of the press on art was unrivalled,” Jacques Villon recalled. “It contributed to painting freeing itself from the claws of academism in a faster way.”

It was predominantly anarchist magazines such as La Feuille founded by the radical journalist Zo´d Axa, which had idolized the executed dynamiter Ravachol as a “martyr of action”, around which Bohemian artists had gathered during the ‘incubation’ period of modernism. The illustrated magazine L´ Assiette au Beurre (The Plate of Butter), founded in 1901 by the Hungarian publisher Samuel Schwarz, was artistically outstanding. The eagerness to experiment and the uncompromising artistic stance with which many of the magazine’s draughtsmen attacked “the ruling class”, which had violently taken the cream, or butter, of the nation’s assets, is unchallenged in the history of illustrated art. These press illustrations were mostly reproduced using the zincographic method of Gillotage.

The most interesting illustrators of the time include Gustav-Henri Jossot and Frantisek Kupka. Gustave-Henri Jossot  combined the Cloisonism of the Nabis with contemporary cartooning, thus creating an art that passed Cubism on the Simpsons lane. A ceramic lithograph by Frantisek Kupka, Les  Fous from 1899, is on view. It took on a central position in Kupka’s early work and was on display at two World’s Fairs, 1900 in Paris and 1904 in St. Louis. In a highly impressive manner, the work expresses the explosive entanglement of militarism, nationalism and hypocrisy. In formal terms, Kupka approaches the idea of  an assembled reality, as it was later expressed in the prints of Pop artists such as Robert Rauschenberg.

Frantisek Kupka, Les Fous, 1899 (Detail) (MePri-Collection)

Mi. 9.6. – Fr. 9.7.2010, Akademie der Bildenden Künste Stuttgart

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