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Hubert Herkomer, 1849 – 1914. Ausstellungen in Landsberg and Bushey

Die  Ausstellung zum 100sten Todestag von Hubert Herkomer, die zur Zeit im Stadtmuseum Landsberg läuft und danach in Bushey bei London zu sehen sein wird, hätte eigentlich ins Amsterdamer Van Gogh Museum, in die Münchner Pinakothek und in die Tate Britain gehört. Kaum ein Künstler des schwierigen imperialen Zeitalters wäre einer Neuentdeckung an exponierter Stelle würdiger als dieser 1849 im bayrischen Waal geborene Universalkünstler. Der überwiegend in England tätige Herkomer begann seine Karriere 1870 als Pressegrafiker bei der Londoner Illustrierten The Graphic. Zusammen mit einem weiteren Illustrator von The Graphic, Luke Fildes, begründete er in den 1870er Jahren eine überaus einflussreiche Schule des künstlerischen Sozialrealimus.

Hubert Herkomer, On Strike, 1891 (Royal Academy of Arts, London)

Theo Matejko, Arbeitslose Väter, Berlin 1932 (MePri-Coll.) – Matejkos Pressegrafik hatte offensichtlich Herkomers populäres Gemälde “On Strike” zur Vorlage.

Seine kraftvolle Handschrift übte einen stilprägenden Einfluß auf die Kunst des wenige Jahre jüngeren Vincent van Gogh aus. Neben Genredarstellungen spezialisierte sich Herkomer bald auf Porträtdarstellungen und stieg  neben Franz Lenbach und John Singer Sargent zum erfolgreichsten Porträtisten der Zeit auf. John Ruskin nominierte ihn 1885 zu seinem Nachfolger auf die legendäre Slade Professorship of Fine Art in Oxford. Darüber hinaus war er einer der erfindungsreichsten Experimentatoren auf druckgrafischem Gebiet. Er trat auch als innovativer Plakatgestalter in Erscheinung, als Komponist, als Bildhauer, als Autor von Theaterstücken, Fotograf, Schauspieler, sowie als Spielfilm- und Automobilpionier. Bei aller Versatilität schuf er eine Reihe von Werken, die auch heute kaum von ihrer suggestiven Wirkung und Aktualität verloren haben. Gemälde wie Pressing to the West (1884), Hard Times (1885) und On Strike (1891) zählen dazu.

Hubert Herkomer, Hard Times, 1885 (Manchester City Art Galleries)

Hubert Herkomer, Study for “Hard Times”, ca. 1884 (Quelle: Ludwig Pietsch, Herkomer, Bielefeld 1901)

Man kann sich eigentlich nur verwundert fragen, warum Herkomer als einer der erfolgreichsten viktorianischen Künstler der Zeit, der auch in Nordamerika und in Deutschland hoch geschätzt und mit monografischen Darstellungen bedacht war, so nachhaltig der Vergessenheit anheim gefallen ist, wo doch mittlerweile selbst abgestandenster Historismus zu musealen Ehren kommt und Salonmaler der zweiten und dritten Garnitur ins Rampenlicht gezerrt werden. Um hinter dieses Geheimnis zu kommen genügt eigentlich ein Blick auf den Namen des Künstlers und sein Sterbedatum. Der Name Herkomer war ein Verweis auf den deutschstämmigen Migrationshintergrund, wie man ihn sprechender kaum erfinden könnte. Der Künstler setzte ihn denn auch entsprechend als Label für seine langjährige kulturelle Vermittlertätigkeit ein, die durch bajuwarische Folklore in Bild, Ton und architektonischen Setzungen gekennzeichnet war. Im Zuge des aufsteigenden Nationalismus gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde ihm diese kulturelle Agententätigkeit zunehmend zum Verhängnis. Spätestens mit Eintritt in den 1.Weltkrieg wollte Großbrittannien denn auch die Erinnerung an diesen prominenten Herold einer nunmehr als Barbarei verstandenen deutschen Kultur schleunigst loswerden. 1914 war somit ein guter Zeitpunkt für ihn, um sich endgültig zu verabschieden. Sein privates Bayreuth Lululaund, das er sich in Bushey erbauen ließ, wurde während des 2. Weltkriegs dann von britischer Seite zerstört, wohl aus xenophoben Gründen. Aber auch in Deutschland, wo der Künstler gegen Lebensende wieder Fuß zu fassen suchte, blieb Herkomer ein Außenseiter.

Hubert Herkomer, Study for “Blind basket-Makers”, 1871 (MePri-Coll.)

Hubert Herkomer, “Blind basket-Makers”, Illustrated London News, 30.9. 1871 (MePri-Coll.)

Obgleich sich die Stadt Landsberg an der Lech, die von Herkomers  Nachfahren mit einer umfangreichen Schenkung aus dem künstlerischen Nachlaß bedacht worden ist, seit vielen Jahren intensiv um eine Aufarbeitung seines Werks bemüht, ist Herkomers multimediale Kunst in Deutschland nie richtig angekommen. Sein Werk ist anscheinend zu vielgestaltig und widersprüchlich um Eingang in den Kanon zu finden. Während sich der Museumsbetrieb in den Metropolen vor lauter Einfallslosigkeit und Opportunismus beständig im Kreis dreht, ist das Engagement der Peripherie um solch vernachlässigte Künstler umsomehr zu schätzen. Zu den Unentwegten, die diese Kärrnerarbeit leisten, zählt der Kunsthistoriker Hartfrid Neunzert, der als ehemaliger Leiter des Neuen Stadtmuseums Landsberg mehr als zwanzig Jahre lang Pionierarbeit in Sachen Herkomer leistete, sowie seine Nachfolgerin Sonia Fischer, die für die Ausstellung verantwortlich ist. Pünktlich zum Jubiläumstermin ist nun ein von Hartfrid Neunzert  herausgebrachter und kommentierter Bildband im Michael Imhof Verlag erschienen, der sich im passenden Folioformat auf das malerische Werk Herkomers konzentriert. Um einen Eindruck von seinen grafischen Leistungen zu bekommen muß man hingegen auf Lee MacCormick Edwards´ Monografie Herkomer. A Victorian Artist (Aldershot, 1999) zurückgreifen. In der Ausstellung sind beide Aspekte von Herkomers Oeuvre repräsentiert. Das grafische Werk ist in entsprechender Breite im Stadtmuseum zu sehen, die Malerei ist ausschnitthaft im Historischen Rathaus vertreten. In oberen Stock des Rathauses sind Herkomers fest installierte Monumentalgemälde einer Landsberger Magistrats- und Kumulativsitzung zu besichtigen, die er der Stadt 1896 anlässlich seiner Verleihung der Bürgerrechte übereignet hat. (A.R.)

Hubert Herkomer, Schuhplatteln, 1875 (Privatbesitz)

Herkomersaal, Rathaus Landsberg am Lech (Quelle: Herkomer, hrsg.Hartfrid Neunzert, Petersberg 2014, Photo: Stephan Wagner)

Ausstellung “Hubert von Herkomer. Malerfürst und Graphiker”, Landsberg am Lech, 29. März – 31. August 2014
Bushey Museum, 28. Juni 2014 – 11. Januar 2015

> MePri-Artikel über Herkomer

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